Österreichische Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie


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NEUE ORALE ANTIKOAGULANZIEN
Diese Seite wurde zuletzt geändert am: 27.02.2013 
 
Die Arbeitsgruppe "Neue Orale Antikoagulanzien" der ÖGLMKC und der ÖQUASTA
stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt (update Januar 2013) fest:
 
Update Januar 2013 (Version V6).

Frühere Versionen: V1 04/2010, V2 10/2010, V3 06/2011, V4 02/2012, V5 10/2012

 
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Sowohl die bisher bekannten, als auch die neuen oralen Antikoagulanzien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban,...) können in Abhängigkeit der Dosierung und in Abhängigkeit von jeweiligen Blutabnahmezeitpunkt im Verhältnis der letzten Verabreichung dieser Antikoagulanzien und in Abhängigkeit ihres primären Ansatzpunktes (Thrombin- oder Xa-Hemmung) zu signifikanten Beeinflussungen vieler, gebräuchlicher Gerinnungsuntersuchungen führen. Daher empfiehlt die Arbeitsgruppe dringend, dem Untersuchungslabor Informationen zu den verabreichten Antikoagulanzien (jeder Generation) und deren Dosierung inkl. Applikationszeitpunkt und Blutabnahmezeitpunkt mitzuteilen. Nur dann können durch NOAC beeinflusste Messergebnisse (Artefakte) mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgedeckt werden und zu keinen Fehlinterpretationen mit möglicher Gefährdung des Patienten führen.

Die im Patientenplasma enthaltenen, neuen oralen, direkten Gerinnungshemmer können vor allem bei Blutabnahme des Spitzenspiegel (d.h. ca. 2 Stunden nach peroraler Verabreichung) auch in Reagenz-abhängige Nachweisschritte eingreifen, sodass die Analysenergebnisse nicht zwingend die Gerinnungshemmung in-vivo widerspiegeln! Im Gegensatz zu den Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine) liefert weder die Veränderung der herkömmlichen Gerinnungstests, noch die Spiegelbestimmung der neuen direkten Thrombin- oder Xa-Hemmer, einen therapierelevanten, klinisch verwertbaren Hinweis auf das aktuelle, physiologische Gerinnungsvermögen. Dosierungen sind primär nach dem outcome der klinischen Studien und der jeweiligen Zulassung und Guidelines zu steuern.

Für Routine-Gerinnungsanalysen (z. B. zur Feststellung etwaiger Gerinnungsdefekte) wird empfohlen, die Blutabnahme zumindest als "Talspiegel" d.h. vor der nächsten Antikoagulanziengabe (d.h. 12 bzw. 24 Stunden nach der letzten Verabreichung) vorzunehmen. Komplexere Gerinnungsanalysen sind gesichert nur nach entsprechendem Absetzen der neuen Antikoagulanzien möglich.

Obwohl laut den Antikoagulantien-Herstellern und internationalem Konsens kein "Monitoring erforderlich oder vorgesehen" ist, kann die Situations-bezogene Nachweisbarkeit der neuen Antikoagulanzien im klinischen Alltag gewünscht werden. Als Beispiele seien genannt: Verdacht auf Überdosierung, akute Blutungskomplikation, dringender invasiver Eingriff, Medikamenteninteraktionen, Niereninsuffizienz, Hepatopathie, multimorbide Patienten, hohes Alter bzw. schlechter AZ, Compliance (wird das Medikament überhaupt eingenommen?). Ein generelles, präoperatives Gerinnungsscreening unter NOACs mit Globaltests oder Spiegelbestimmung sind nicht gesichert aussagekräftig, daher laut Konsens (Periop. Management für Dabigatran: Weltermann A et al. WiKliWo 2012;124:340ff) auch nicht empfohlen (Grad 3C). Für orientierende Wirkspiegelbestimmungen zum Erfahrungsaufbau oder zur Compliance-Überprüfung der neuen oralen Antikoagulanzien (z.B. als Spitzenspiegel, d.h. 1-4 Stunden nach peroraler Einnahme bzw. Talspiegelbestimmungen) in medizinischer Befundqualität sind ausschließlich für die jeweilige Substanz geeichte, CE-zugelassene Testsysteme zu verwenden. Zum derzeitigen Zeitpunkt (Januar 2013) sind jedoch keine ausreichend klinisch relevanten bzw. evidenzbasierten Referenzbereiche für Tal-/Spitzenspiegel der NOAC publiziert und daher keine ausreichend gesicherte, klinisch relevante Interpretation von Spiegelmessungen zum klinischen Risiko Blutung oder thromboembolisches Rezidiv möglich.

Für die Arbeitsgruppe:
Walter-Michael Halbmayer (Wien), Günter Weigel (Innsbruck), Josef Tomasits (Linz),
Andrea Griesmacher (Innsbruck), Peter Quehenberger (Wien), Gerold Aspöck (Wels),
Mirjam Schnapka (Innsbruck), Lorin Loacker (Innsbruck), Florian Prüller (Graz), Janne Cadamuro (Salzburg), Meinhard Haltmayer (Linz) und Alexander Haushofer (Wels)

Rechtlicher Hinweis:
Die Stellungnahme dient lediglich einer allgemeinen Information und spiegelt das labormedizinische Wissen, die Erfahrungen, Einschätzungen und Meinungen der Mitglieder der Arbeitsgruppe wieder. Es wird keine Gewähr für die Vollständigkeit der Stellungnahme noch für deren inhaltliche Richtigkeit geleistet.


Siehe auch Arbeiten aus der Arbeitsgruppe:
  • Halbmayer WM, Weigel G, Quehenberger P, Tomasits J, Haushofer AC, Aspoeck G, Loacker L, Schnapka-Koepf M, Goebel G, Griesmacher A. Interference of the new oral anticoagulant dabigatran with frequently used coagulation tests. Clin Chem Lab Med 2012; 50;(9):1601-1605.
  • Halbmayer WM. Wichtige Punkte für den Umgang mit dem neuen oralen Antikoagulanz Rivaroxaban aus Sicht des Labormediziners: Nachweis und Interferenz mit gebräuchlichen Gerinnungstests. J Kardiol 2012;19:27-32.
  • Halbmayer W.-M. Labormonitoring - wann hilfreich, wie machbar und wie aussagekräftig? In: Focus Hämatologie, Neue Antikoagulanzien. Universum Innere Medizin 2012;05:25-26.
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